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Und wie ist das mit der Schönheit? (24/04/2003)

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Et la beauté!... (paris-art.com)

Neulich in einem Gespräch äußerte sich der Bildhauer Stephan Balkenhol über die Schönheit, einfach und treffend, um ihren Untergang zu bedauern und um ins Auge zu fassen, sie wieder zum Leben zu erwecken.

Seiner Ansicht nach ist die Schönheit in der Welt von heute Opfer des Zusammentreffens verschiedener Faktoren: dem Überangebot und der sich immer mehr ausbreitenden Oberflächlichkeit von Bildern, die sich dem marktwirtschaftlichen Denken zu sehr unterordnen; dem Verlust des Seh- und Urteilvermögens der Menschen und der Vorherrschaft der diskursiven und visuellen Modelle, die aus Hollywood oder aus der Werbung stammen.

In dieser Situation, in der es nötig wird, wieder neu sehen zu lernen, die Fähigkeit wiederzuerlangen, die Dinge so zu sehen, wie sie sind, ist es die große Aufgabe des Künstlers „das Bild neu zu erfinden", damit es den Betrachter berühren, ihn inspirieren und auf sein Leben Bezug nehmen kann.
Um dies zu erreichen, muss der Künstler das Wesentliche anstreben, indem er das Überflüssige, das nichts Sagende und das Verlogene aussortiert, um so eine „Wahrheit" zu erreichen, die über den Anschein hinausgeht („da schreckliche Dinge schön sein können").

Warmherziges Glaubensbekenntnis zugunsten einer transzendierenden Schönheit: die ideale Schönheit, die in einer verzauberten Welt liegt, in der auf wundersame Weise die Macht des Kommerz abgeschafft sei, in der die Dinge so erscheinen „wie sie sind", und wo eine universelle „Wahrheit" herrsche.
Paradies der Schönheit und der Wahrheit; Traumwelt, in der die Dinge, die Bilder und die Menschen harmonieren; Reich der Glückseligkeit, wo dank der Kunst die tief liegende Essenz der Dinge dem gelehrten Blick erreichbar sei.

Nun, dieses Paradies der transzendierten Schönheit gibt es nicht, heute noch weniger als gestern. Man erlebt eine immer schneller werdende Säkularisierung der Bilder und der Schönheit, und allgemein des Lebens an sich. Die Schönheit entfaltet sich von jetzt an entschlossen in der Immanenz, sie ist vom Himmel auf die Erde übergegangen, ohne im Übrigen ihre Energie und ihre Fähigkeit, die Empfindungen zu stimulieren, zu verlieren – ein Universum der Empfindungen.

Soll man diese Immanenz der Schönheit in den zahlreichen zeitgenössischen Werken beklagen? Gewisse Leute, für die Schönheit immer etwas Feierliches, Heiliges, Moralisches oder Ehrwürdiges hatte, bedauern dies. Andere im Gegenteil sind der Ansicht, dass die Schönheit nicht intensiv genug sein kann, wenn sie in enger Verbindung mit der Welt und ihren Veränderungen steht.

Das Werk von Alain Declercq liegt im gemeinsamen Raum von Kunst und sozialer und politischer Aktion. Einerseits wurde es kürzlich in Fairford, England, realisiert, auf dem Fliegerhorst, wo die Flugzeuge vom Typ B52 starteten, um den Irak zu bombardieren. Andererseits ist es ein Remake einer von Chris Burden fotografierten Boeing 747.
Es handelt sich weniger um politische Kunst, die zuerst Kunst sei, sondern vielmehr um politische Aktionen, die auf gewisse Mittel der Kunst zurückgreifen, und die dann darüber hinausgehen.

Die zeitgenössische Kunst, und zwar diejenige die innoviert, ist Träger einer philosophischen Botschaft, die gleichzeitig einfach und weitreichend ist: Die Schönheit – wie die Wahrheit – ist immer relativ und in dauernder Veränderung begriffen.
Nüchtern betrachtet ist sie nie unabhängig von Machtverhältnissen.
Das dominante System der Schönheit ist das des Stärkeren ...

Autor: André Rouillé

Übersetzung: Stephan Meinhardt